Ivo, um die vierzig, lebt mit ihrer beinahe erwachsenen Tochter und einem Hund zusammen. Sie arbeitet als ambulante
Palliativpflegerin im Großraum Düsseldorf und besucht Menschen, deren Lebenszeit abläuft. Eine der Patientinnen ist ihre engste Freundin. Mit deren Mann hat Ivo eine Affäre. Das ist auch schon
die Konstellation des neuen Films von Eva Trobisch (Alles ist gut, 2018), der auf der vergangenen Berlinale gefeiert wurde und nun bei uns in die Kinos kommt. Ivo erzählt von Formen des Sterbens
– und nebenbei von der Kostbarkeit des Lebens.
Die Schauspielerin Minna Wündrich verleiht ihrer Heldin die Aura eines urbanen Cowboys. Wenn Ivo die städtische Prärie durchquert, vorbeifährt an Autobahnkreuzen, Kraftwerken und zersiedelter
Natur, scheint sie ihrem Auto die Sporen zu geben, um rechtzeitig bei Patientinnen und Patienten anzukommen. Am Steuer wirkt Ivo cool, dann wieder melancholisch. Wie es ihr gerade geht, lässt
sich an den Songs erraten, die sie im Auto hört.
Betritt Ivo einen Raum, wird der Rhythmus der Kamera (Adrian Campean) sofort ruhiger. Konzentriert lässt sich die Pflegerin auf ihr jeweiliges Gegenüber ein. Sie überprüft die Dosierung des
Morphiums, misst den Blutdruck, legt Medikamente bereit. Sie fragt und hört zu. Mit ihr gemeinsam erlebt man, was man sich zu selten bewusst macht: Vergänglichkeit ist auf ihre Weise
demokratisch. Manche Patienten tragen ihren Zustand mit Fassung, andere ignorieren ihn, wieder andere schikanieren ihre Angehörigen. Sie leben in Villen mit Sauna und Garten, mit Geweihen an den
Wänden und alten Rotweinen im Keller. Sie sitzen in vergilbten Hochhauswohnungen nonstop vor dem Fernseher. Sie lauschen in bürgerlichen Wohnzimmern dem Klavierspiel des Lebensgefährten. Sie
fristen ihre Tage in unwirtlichen Altersheimen mit halligen Fluren. Einmal richtet Ivo den Blumenstrauß im Zimmer einer alten abgemagerten Frau, die wie bewusstlos in ihrem Krankenbett schläft:
"Tschüss, Frau Scholz!"
Quelle: https://www.zeit.de/2024/27/eva-trobisch-ivo-sterben-leben-pflege-liebe-freundschaft-film
Kommentar schreiben